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Der
Reformprozess der katholischen Kirche steckt im Stau. Dieselben
Themen werden seit Jahren wiedergekäut. Die „kirchliche
Tradition“ und die lehramtliche Positionierung werden als
unverrückbare Wahrheit dargestellt. Kirchengemeinderäte
aus einigen Gemeinden Ulms (Dr. Cornelia Bald, Stefan Cammerer,
Barbara Comes, Dr. Bernd Fritzenschaft, Dr. Florian Finsterwalder,
Christine Lange, Michael Spooren) haben die Idee einer Briefaktion
entwickelt - ein Weg um mit den Amtsträgern nach Antworten zu
suchen.
KB: Was
sind die Montagsbriefe und wer macht sie?
Bald:
Seit dem 1. Advent
erhalten alle deutschen Bischöfe und Weihbischöfe
unseren Montagsbrief - pünktlich montags per Post. Er geht
mit einer Kurzpredigt auf die Bedeutung eines Schrifttextes des
vorangegangen Sonntags ein und stellt einen Bezug zu einem der
vielfältigen Themen des von Erzbischof Zollitsch ausgerufenen
Dialogprozesses her. In diesen Briefen werden die Bischöfe
auch nach ihrer Meinung zu dieser Schriftauslegung gefragt. Die
von uns angefragten Autoren der Predigten sind durchweg
Theologeninnen und Theologen, aus der Lehre, Ordensleute, Priester
in verschiedenen Funktionen. Damit sich die Bischöfe
unvoreingenommen mit den vorgetragenen Sachargumenten
auseinandersetzen können, werden die Verfasser nicht
namentlich genannt.
KB:
Was ist dabei Ihre
Zielsetzung?
Bald:
Der biblische Aspekt,
das bestimmende Fundament für den Weg der Kirche, scheint uns
in der bisherigen Diskussion zu kurz gekommen zu sein. Es geht
doch darum, die Botschaft Jesu auch in einer veränderten Zeit
den Menschen nahe zu bringen. Deshalb muss sich sein Wort auch in
der konkreten Gestalt der jeweils gegenwärtigen Kirche
zeigen. Denn gerade in der Kirche erfahren die Menschen Gott unter
den Menschen - oder eben auch nicht! Mit unserer Aktion wollen wir
die Bischöfe herausfordern, sich dem biblischen Wort zu
stellen und Stellung zu beziehen. Vielleicht gelingt es ja dem
einen oder anderen Brief, die Abwehr in manchen Köpfen zu
durchbrechen und eine alternative Betrachtungsweise unumstößlich
geglaubter Positionen zu- und vielleicht sogar gelten zu lassen.
Wir säen sozusagen im guten Sinne Zweifel. Der Öffentlichkeit
möchten wir den tieferen Grund der Reformbestrebungen
verdeutlichen, die „Modernität“ des biblischen
Wortes erschließen, Argumentationsmaterial geben.
Schließlich sollen die Predigten eine Hilfe sein, dass wir
den Sonntagsgottesdienst mit der Verkündigung der Botschaft
Jesu für das hier und jetzt als Angelpunkt christlichen
Lebens neu wahrnehmen.
KB:
Wie ist die Resonanz
auf die Montagsbriefe?
Bald:
Auf den ersten
antwortete Weihbischof Renz aus Rottenburg engagiert, ehrlich und
differenziert. Ermutigend: „Die Erneuerung der Kirche muss
bei uns Bischöfen beginnen.“ Leider blieb es bei dieser
einen inhaltlichen Stellungnahme. Der Berliner Erzbischof Woelki
ermutigte ebenfalls zum Austausch auf biblischer Ebene. Aus
mehreren Diözesen erhielten wir sachliche, zuweilen
freundliche Bestätigungen, dass die Briefe gelesen werden.
Auch reservierte Reaktionen und Abbestellungen gingen ein.
KB:
Was
haben Sie für die Zukunft geplant?
Bald:
Ursprünglich
hatten wir die Aktion bis Ostern angelegt. Die unerwartet große
Ermutigung suchender Katholiken bundesweit und aus dem
deutschsprachigen Ausland (es lebe die Vernetzung) aber auch von
unseren Autoren, hat uns veranlasst, die Aktion auf ein gesamtes
Kirchenjahr zu verlängern. Vielleicht werden die Predigten
später in einem Buch veröffentlicht.
KB:
Wie kommt man an die
Briefe, wenn man kein Bischof ist?
Bald:
Die bisherigen Briefe
sowie die inhaltlichen Antworten der Bischöfe sind auf
unserer Website (www.montagsbriefe.de)
veröffentlicht, am Montag kommt bereits Brief 15 dazu! Wer
die Aktion mittragen und ihr mehr Gewicht verleihen will, kann
sich dort in eine Liste eintragen.
(Auch
Spenden sind willkommen. Nähere Infos über eMail:
info[“ät“]montagsbriefe.de)
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Ein
Ulmer Beitrag zum Dialog in der katholischen Kirche
Ein volles Kirchenjahr lang
erhielten sämtliche deutschen Bischöfe und Weihbischöfe
jeden Montag Post aus Ulm - die Montagsbriefe. Ihre Aufgabe:
Sauerteig zu sein im Lähmungszustand der Kirche.
Mit
Jesu Handeln bzw. exegetisch korrekt ausgelegtem biblischen Wort
zu dringend der Reform bedürfenden Themen zu argumentieren -
so wie in den Montagsbriefen geschehen - ist ein scharfes Schwert.
Es fordert Entscheidungen. Was da geschrieben steht, das steht
geschrieben und kann so leicht nicht weggewischt werden, von
niemandem. Die leider spärlichen Reaktionen einzelner
Bischöfe - positive und ablehnende - sprechen für sich.
Die vielfältige Zustimmung der Leser aus dem Kirchenvolk
ebenso. Unsere Hoffnung ist, dass bei denjenigen Bischöfen,
die sich nicht zu Wort gemeldet haben, langsam und stetig der
Sauerteig gärt und nicht die Ignoranz vorherrscht.
Die
Montagsbriefe reihen sich ein in die Aktionen vieler und diese
sind dringend nötig, denn vieles schreit nach wie vor zum
Himmel. Als die Pharisäer sich an Jesus wandten und
verlangten, er solle seine Jünger zum Schweigen bringen,
sagte er: „Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.“
Aber es ist auch etwas ins Rollen geraten seit dem letzten Advent,
viel mehr als in den Jahren zuvor! Die Kirche scheint tatsächlich
in der Krise angekommen zu sein, die Entscheidung steht auf
Messers Schneide und kann nicht mehr allzu lange ausgesessen
werden.
Vielleicht haben die Montagsbriefe ihr kleines
Scherflein dazu beigetragen, das neue Bewusstsein zu verstärken,
nämlich, dass die Gemeinden, die Menschen das Subjekt der
Seelsorge sind und es nicht um die devote Bedienung der Hierarchie
geht. „Jesus lernte aus der Situation der Menschen, aus
ihrem Glauben, ihrem Handeln, ihren Bitten, ihrer Not, was der
Wille Gottes ist“ (Montagsbrief Nr. 37), er war nicht
deshalb stark und sein Handeln so „nachhaltig“, weil
er auf Gesetz und Tradition beharrte!
Es ist die Zeit,
Verkrustungen aufzubrechen, Themen wie wiederverheiratete
Geschiedene, Frauenbeauftragung, Zölibat usw. beherzt
anzugehen, damit die Menschenfreundlichkeit und die Güte
unseres Gottes wieder zum Tragen kommt. Der Weg muss wieder frei
werden für die ureigentlichen Themen der Kirche, die auch
Papst Franziskus am Herzen liegen. Diese sind: Friede,
Gerechtigkeit, Solidarität und Armut.
Es sind
spannende Zeiten jedenfalls!
Und die Montagsbriefe?
Vielleicht entsteht ein Buch… Hintergrundinformationen
und sämtliche 51 Briefe sind nachzulesen unter
www.montagsbriefe.de
Dr.
Cornelia Bald Mitglied des Redaktionskreises
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